STEINER (1920)
Keine Angaben
HEYDEBRAND (1925, 2009) – Vom Lehrplan der Freien Waldorfschule
„Man behandelt den Zusammenhang von Feldmessen und Geographie und bespricht zum Beispiel die Merkatorprojektion.“ (Heydebrand 2009, S. 62)
STOCKMEYER (1955, 1988) – Angaben Rudolf Steiners für den Waldorfschulunterricht
„Die 11. Klasse bringt in der Messkunde die Erkenntnis-Elemente der Erdgestalt und führt zur Kunst ihrer Darstellung in der Karte.“ (Stockmeyer 1988, S. 189)
RICHTER (1995) - Pädagogischer Auftrag und Unterrichtsziele einer Freien Waldorfschule
Mögliche Unterrichtsinhalte:
- Die Landschaftszonen der Erde als Ökosysteme
- Wirtschaftsstufen der Menschheit im geschichtlichen Prozeß
- Die Wirtschaftsgüter und ihre Erschließung. Welthandel
- Die Verelendung der sogenannten Entwicklungsländer durch Ausbeutungswirtschaft
- Aspekte einer gerechten Gesellschaftsordnung
- Fallbeispiele und Gesichtspunkte für ökologische Wirtschaft heute
- Zukunftsaufgaben
(Richter 1995, S. 151)
FUHRER (1998) – Feldmessen und Kartographie
„Wenn der Elftklässler (...) in der Kartenprojektionslehre merkt, dass der Begriff der totalen Invarianz zu relativieren ist, sobald wir uns aus der Enge in die Weiträumigkeit ausdehnen, und erlebt, wie er das von der Natur gegebene Gradnetz der Erde durch sein eigenes Denken und in Freiheit unter verschiedenen Gesichtspunkten immer wieder neu- und umbilden kann, dann kommt er in die Lage, von der Kausalität in die Rekursivität vorzustoßen, seine festgepfahlten Prinzipien wieder in Bewegung zu bringen und sich aus der Schwere zu befreien. Geschichte der Kartographie und somit der Wandlung des Weltbildes ist zentrale Geschichte der menschlichen Bewusstseinsentwicklung, nicht an persönliche Anschauung, Meinung und Interpretation geknüpft, sondern an mathematische Objektivität.“ (Fuhrer 1998, S. 10)
GÖPFERT (1999) – Das lebendige Wesen der Erde – Zum Geographieunterricht der Oberstufe
- Ökogeographie (mit Bezug zur Wirtschafts- und Sozialgeographie)
- nachrangig: Kartographie und Astronomie (Göpfert 1999, S. 72)
LEHRPLANKOMMISSION (2000) – Geographie – Wirtschaft – Technik und das soziale Leben der Gegenwart
- Wirtschaftsgeographie
- Energiewirtschaft
- Astronomie
SCHMUTZ (2001) – Erdkunde in der 9. bis 12. Klasse an Waldorfschulen. Eine Gesamtkonzeption
A: Astronomie: Erde und Himmelsgebilde in Wechselwirkung
B: Energiewirtschaft: Energieumwandlung, Ressourcen und Alternativenergie (Schmutz 2001, S. 12)
GÖTTE, LOEBELL, MAURER (2009, 2016): Entwicklungsaufgaben und Kompetenzen – Zum Bildungsplan der Waldorfschule
Eine Ökogeographie, die die Wechselbeziehung zwischen Raum, Bodenrelief, Klima, Vegetation und Mensch darstellt. Eine solche Epoche (...) müsste eine Wirtschafts- und Sozialgeographie einschließen, die nicht nur die negativen Entwicklungen aufzeigt, sondern ansatzweise eine «Erdentwicklungskunde» veranlagt.
- die Landschaftszonen der Erde als Ökosysteme beschreiben
- Wirtschaftsstufen und ihre Erschließung zeigen: der Welthandel
- die Verelendung der sogenannten Entwicklungsländer durch Ausbeutungswirtschaft darstellen
(Götte et al. 2016, S. 363)
RICHTER (2016, 1995) – Pädagogischer Auftrag und Unterrichtsziele – vom Lehrplan der Waldorfschule
Mögliche Unterrichtsinhalte
In der jüngsten Vergangenheit wurden für die Geographie-Epoche im 11. Schuljahr verschiedene Themenaufrisse entwickelt:
- Die Orientierung der Menschen im Raum
- Wie orientiert sich der Mensch in Raum und Zeit?
- Breitengradbestimmung, Geschichte der Entdeckung der Längengradbestimmung, moderne Navigation (von Radar bis GPS)
- Geschichte der Kartenkunst als Bewusstseinsentwicklung (auch Projektionslehre mit praktischen Zeichenübungen - Mathematik )
- Verschiedene Weltkarten und die Prägung des jeweiligen Weltbildes (z. B. eurozentrische Karten, Polkarten, die Mercator-Projektion usw.)
- Die Wirkung des Raums (Landschaft, Klima u. a.) auf den Menschen
- Astronomie
Bei den folgenden Themen sollten die Konstellationen jeweils mit Bezug auf die Erde betrachtet werden, um ihre besondere Stellung im Raum erlebbar zu machen.
- Die Historie der Weltbilder
- Die Bewegungen der Erde: Tagesbegriffe, synodische und siderische Umläufe von Erde und Mond, Jahresgang der Erde (Revolution, Präzession, Nutation, platonisches Weltenjahr, Tierkreiszeichen)
- Finsterniskonstellationen
- Geschichte der Astronomie
- Planetenkonstellationen und Sonnensystem
III. Naturräume Voraussetzungen und ihre Gestaltung durch den Menschen
- Die Landschaftszonen der Erde als Ökosysteme
- Natürliche Gunst- und Ungunsträume für den wirtschaftenden Menschen
- Landnutzungsmöglichkeiten in ausgewählten Teilräumen der Erde
- Naturzerstörende und naturpflegende Methoden der Landnutzung in der Landwirtschaft Rohstoffe der Erde und ihre Erschließung
- Verdichtungsräume der Erde; Verstädterung
- Wirtschaftssysteme: Subsistenzwirtschaft, Marktwirtschaft, Planwirtschaft
(Richter 2016, S. 374–375)
Entgegen der Angaben bei HEYDEBRAND und STOCKMEYER konnte ROHRBACH (2000) nach gründlicher Recherche feststellen: „Für diese Klasse hat Rudolf Steiner gar kein geographisches Thema angegeben, ja nicht einmal das Fach als solches erwähnt!“ (Rohrbach 2000) Die Angaben STEINERS, auf die sich HEYDEBRAND und STOCKMEYER beziehen, waren im Kontext der beiden Fächer Technologie und Feldmessen erfolgt.
Das Thema Kartographie, das sich daraus entwickelte, wurde durch FUHRER erstmals umfassend dargestellt, von GÖPFERT jedoch nur nachrangig empfohlen, es taucht bei LEHRPLANKOMMISSION (2000), SCHMUTZ und GÖTTE/LOEBELL/MAURER überhaupt nicht auf, findet jedoch Raum bei RICHTER (2016) als eins von drei möglichen Themen. Orientierung im Raum und das Thema Kartographie spielt in der Geographie eine wichtige Rolle, weshalb diese Epoche auch an einigen Waldorfschulen gegeben wird. Immer mehr hat sich in den letzten Jahren herauskristallisiert, dass dafür drei Wochen Unterrichtszeit zu lang sind, sodass man ein wirtschaftsgeographisches Thema oder eine Betrachtung der Ökosysteme anschließt.
Die Astronomie findet sich in allen Empfehlungen seit GÖPFERT (1999) außer bei GÖTTE/LOEBELL/MAURER, wird aber nicht sehr häufig gewählt. Wenngleich es jeweils gute Gründe gibt, in der 11. Klasse eine Astronomieepoche einzurichten, sollte man nach Meinung des Verfassers diese Wissenschaft nicht unter der Geographie subsumieren, sondern versuchen, es als eigenständiges Unterrichtsfach zu etablieren. Hat man wie zumeist üblich nur eine Geographieepoche in der 11. Klasse zur Verfügung, besteht die Gefahr, dass die Humangeographie in der Oberstufe viel zu kurz kommt.
An den meisten Waldorfschulen wird eine Epoche gegeben, die sich mit wirtschaftsgeographischen Themen beschäftigt und/oder mit den Ökosystemen. Da es an einigen Waldorfschulen in der 12. Klasse kein Geographieunterricht mehr gibt, ist dies für viele Geographielehrer die einzige Möglichkeit, in der Oberstufe humangeographische Themen zu bearbeiten. Auf diese Weise kann eine Epoche entstehen, die ein Konglomerat an Gebieten abdeckt, denn auch die Globalisierung, Bevölkerungs-, Siedlungsgeographie uvm. stehen zur Auswahl. Dies stellt allerdings keine befriedigende Lösung dar, da es unmöglich ist, die ganze Bandbreite der humangeographischen Themen abzudecken. Von der Geographiedidaktik gibt es zu diesem Problem bisher keine Lösungsansätze.
Klaus Weißinger