In: „Aspekte der Globalisierung“ Band 2, Stand: Februar 2020

Hinweise zur Aktualisierung

Der Band erschien 2015, Redaktionsschluss des Beitrags „Kaffee – das braune Gold“ war Oktober 2014. Somit sollten die entsprechenden Tabellen und Graphiken ergänzt bzw. aktualisiert werden.

Als sehr brauchbar haben sich hierbei die Informationen und Graphiken von „financen.net“ (https://www.finanzen.net) erwiesen. Unter „Rohstoffe“ und  „Kaffeepreis“ (https://www.finanzen.net/rohstoffe/kaffeepreis) findet man (zweifach in Dollar und Euro) die jeweilige Preisentwicklung der aktuellen Woche, des Monats, der letzten drei Monate, des Jahres, des letzten Jahres, der letzten drei Jahre und schließlich der letzten fünf Jahre. Sie können erweitert werden um die weiter zurück liegenden Daten (vgl. im Buch S.94/95); so lässt sich gut die Dramatik der schwankenden Kaffeepreise an den Warenterminbörsen zeigen.

Parallel dazu kann – z.B. durch ein Schülerreferat – die Preisentwicklung des Tees dargestellt werden, der ja nicht wie der Kaffee an den Börsen, sondern auf Auktionen gehandelt wird, also näher an dem realen Marktgeschehen orientiert und weitgehend frei von Spekulationen ist.

 

Zur Wertschöpfungskette

Je mehr Schritte der Wertschöpfungskette von der Ernte bis zum gerösteten und verpackten Produkt im eigenen Land erfolgen können, desto höher ist der Gewinn, desto mehr Arbeitsplätze und somit Versorgungssicherheit der Bevölkerung können entstehen. Wenn nun über lange Zeiträume hinweg für die kaffeeexportierenden Länder nur der Rohkaffee zollfrei gehandelt werden konnte – mit der entsprechend geringen Gewinnmarge – und die Weiterverarbeitung bis zum teuren Endprodukt in Europa, USA oder anderswo erfolgt, so ist das im Prinzip kein Handel unter fairen Bedingungen.

Zölle und Steuern

Deutschland nimmt jährlich etwa 1 Milliarde Euro an Steuern und Zöllen ein, die sog. „röstkaffeehaltige Produkte“ betreffen.

Um die deutsche Verarbeitungsindustrie zu schützen, verlangt der Staat Import-Zölle auf Kaffee. Nur die Einfuhr von getrocknetem, aber unbearbeitetem Rohkaffee aus allen Ländern ist zollfrei. Auf Röstkaffee und andere kaffeehaltige Produkte fallen 7,5 bis 9 % an.

Erst 2007 wurde nun der bis dahin gültige europäische Importzoll von 30 % auf gerösteten Kaffee für Äthiopien und weitere sog. Entwicklungsländer beseitigt. Damit ist es nun eher möglich geworden, dass diese Länder einen wichtigen Teil der Wertschöpfungskette im eigenen Land behalten können.

Eine weitere Einnahmequelle des Staates ist geblieben. Deutschland ist eines der wenigen EU-Länder, die immer noch eine Kaffeesteuer erheben. Beim Verkauf im Land fallen zusätzlich 2,19 Euro/Kilo für Röstkaffee und 4,78 Euro/Kilo für löslichen Kaffee an. Bei kaffeehaltigen Produkten gibt es gestaffelte Steuersätze, und zwar je nach Menge (vgl. im Buch S.99).

Trotz der noch immer hohen Belastung durch Zölle und Steuern ist es also jetzt ökonomisch möglich geworden, dass der Kaffee in den Erzeugerländern nach der Ernte und Trocknung auch geröstet, verpackt und dann exportiert wird.

Im Folgenden werden drei positive Beispiele dazu geschildert.

„Good African Coffee“ aus Uganda

Andrew Rugasira wurde in Kampala, Uganda, geboren. Sein Studium in Jura und Wirtschaftswissenschaften absolvierte er in London und ergänzte es später noch mit einem Masterstudium in Afrikastudien in Oxford. Er arbeitete zuerst als Manager und als Immobilien-Makler.

Als Geschäftsmann wollte er jedoch seinem Land eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung ermöglichen, und zwar nicht mit gut gemeinter (Entwicklungs-) Hilfe von außen, sondern durch eigenes und selbstbestimmtes wirtschaftliches Handeln.

Er schuf 2003 als erster Afrikaner ein Unternehmen, das weltweit mit weiter verarbeitetem Kaffee handelt und nicht nur mit Rohkaffee. Die sehr hochwertigen Arabica-Bohnen werden in den abgelegenen Rwenzori-Bergen im Westen Ugandas in 5000 Metern Höhe von verarmten Kleinbauern geerntet, dann in der Stadt geröstet, verpackt und zuletzt nicht nur im eigenen Land, sondern auch in Supermarktketten in Großbritannien und den USA verkauft. Rugasira vertreibt die hübschen gelben Kaffeepackungen unter dem Markennamen „Good African Coffee“. Die Kaffeebauern erhalten garantierte faire Preise, die verarbeitenden Angestellten angemessene Löhne.

Seine abenteuerliche Geschichte voller Höhen und auch Tiefen hat Andrew Rugasira in seiner Autobiographie „A Good African Story. How a Small Company Built a Global Brand“, Random House UK 2013 erzählt; das Buch ist leider noch nicht auf Deutsch erschienen. Darin schildert er, wie er die Bergbauern besuchte und sie von seinem Plan überzeugte, wie sie ihre eigenen Fähigkeiten weiterentwickelten, ihr Wissen um die besten Anbau- und Erntemethoden teilten, sich weiterbildeten und ihre Erfahrungen austauschten. Für die Finanzierung organisierten sie Mikrokredite. Einen anschaulichen Artikel über das erfolgreiche Projekt schrieb Tim Adams: „Bohne um Bohne“, erschienen in Der Freitag, 21.03.2013; ursprünglich am 17.02.2013 in The Observer (https://www.freitag.de/autoren/the-guardian/bohne-um-bohne). In DIE ZEIT vom 27.03.2013 werden drei erfolgreiche Unternehmer Ugandas in dem Artikel „Von wegen Armut“ (https://www.zeit.de/2013/14/entwicklungslaender-afrika-uganda) vorgestellt. Über Rugasira heißt es: „(...) von Fairtrade-Kaffee hält Rugasira nichts. Die Farmer würden nur ein paar Cent mehr bekommen. Ein Almosen-Modell, mit dem europäische Käufer ihr Gewissen beruhigten. Rugasira holt den Profit nach Afrika. „Afrikaner sitzen nicht faul herum“, schreibt er. „Sie wachen jeden Morgen auf und überlegen sich, wie sie Wohlstand für sich und ihre Familie schaffen können.“ (…) Afrika brauche „Handel statt Entwicklungshilfe“, fordert Rugasira.

Seine Geschichte kann im Unterricht also auch gut als Grundlage einer Diskussion zum Begriff „Entwicklungshilfe“ dienen.

Solino  („kleine Sonne“)
das ist „Kaffee Fair Plus“

Solino ist der erste Kaffee, der vollständig – also von der Bohne über die Röstung bis zur Verpackung – in Äthiopien produziert wird. Damit ist Solino nicht nur Lieferant des Rohstoffs wie alle anderen Unternehmen, sondern hat Anteil an der gesamten Wertschöpfungskette. Dadurch entstehen nicht nur ein wesentlich höherer Gewinn, sondern auch neue, besser qualifizierte und bezahlte Arbeitsplätze, auch nachhaltigere wirtschaftliche Verhältnisse und für die Beteiligten vor Ort eine höhere Lebensqualität.

Gegründet wurde das Unternehmen von Felix Ahlers. Er ist im Hauptberuf Vorstandsvorsitzender des deutschen Familienbetriebs Frosta AG, einem Tiefkühl- und Fertiggerichteanbieter. Auf seiner ersten Äthiopienreise erfuhr er von der Situation, dass hier wie in anderen Ländern nur der Rohkaffee exportiert wird, jährlich fast 200.000 Tonnen. Dafür erhält das Land umgerechnet rund 560 Millionen Euro. Durch Röstung und Verpackung des bedeutendsten Exportgutes des Landes könnten zusätzlich umgerechnet 360 Millionen Euro an Wertschöpfung erwirtschaftet werden, also zusätzliche finanzielle Mittel für die Entwicklung des Landes, das zu den ärmsten des Kontinents gehört. Da hatte Felix Ahlers die Idee von Solino, des ersten ganz in Äthiopien produzierten Kaffees. Er wächst in über 2000 Metern Höhe, die Arabica-Sorten gehören zu den qualitativ besten und deshalb teuersten der Welt. Wegen der Höhe sind die Erntemengen geringer als in den tieferen Lagen.

Das Unternehmen wurde 2008 gegründet. Entscheidend war, dass fast gleichzeitig  die EU den hohen Schutzzoll von 30 Prozent auf gerösteten Kaffee für die ärmsten Entwicklungsländer abschaffte, nämlich für 79 afrikanische, karibische und pazifische Länder (kurz die AKP-Staaten).

Heute werden pro Jahr über 30 Tonnen von Solino nach Deutschland verkauft.

Die Kaffeebauern ernten die Kaffeekirschen von Hand. Nach der Reinigung werden sie in der Sonne auf großen Plätzen im Dorf zwei bis drei Wochen lang getrocknet. Währenddessen müssen sie ständig gewendet werden. Das Fruchtfleisch und das Silberhäutchen können schließlich maschinell von den beigen Bohnen getrennt werden. Ein weiterer Schritt ist dann die Fermentation; damit werden die in den Kaffeebohnen enthaltenen Gerbstoffe abgebaut.
Nicht nur die Ernte, sondern auch die Trocknung und Fermentation als weitere Verarbeitungsschritte führen nun zunehmend die Bauern selbst durch und sichern sich damit eine weitere Verdienstmöglichkeit.

Diese sonnengetrockneten Bohnen aus den hoch gelegenen Anbaugebieten schmecken würziger und enthalten weniger Säure als andere Sorten. Sie werden nun von qualifizierten und sehr erfahrenen Röstmeistern von Hand in kleinen Trommelröstern ca. 20 – 23 Minuten lang bei einer niedrigen Temperatur von 210°C in zwei ehemaligen Fabriken am Stadtrand von Addis Abeba geröstet. Nach dem Rösten, Verpacken und Bedrucken wird der Kaffee im Container von Addis Abeba zum Hafen nach Djibouti transportiert – das dauert ca. 24 Stunden – , dort verladen und per Schiff in etwa drei Wochen nach Hamburg gebracht. Vom Lager in Reeßum (einem kleinen Ort  zwischen Bremen und Hamburg) wird er direkt an die Supermärkte oder über den Onlineshop direkt zum Kunden verschickt. Alle sechs Wochen kommt ein Container; der Kaffee ist also maximal zehn Wochen lang unterwegs. In der speziellen Verpackung mit einem Einwegventil, das Gase wie etwa den schädlichen Sauerstoff entweichen lässt, bleibt der Kaffee – von Licht und Feuchtigkeit geschützt – mindestens 20 Monate lang frisch.

Direkt käuflich zu erwerben ist der Solino-Kaffee in Deutschland bei Edeka in 25 Städten und bei Rewe in vier Städten, ansonsten über Onlinehändler auch in kleineren Mengen.

Die Wertschöpfungskette sieht (nach Angaben von www.solino-coffee.com) folgendermaßen aus:

            Grüner Rohkaffee               100 %
            Mehrwert beim Rösten         30 %
            Etikettendruck                        10 %
            Verpacken und Schließen     6 %
            EAN Codes                              3 %
            Umkartons                                6 %
            Profit für Kaffeeröster             5 %
            Wertschöpfung insg.          160 %

Somit werden also rund 60 Prozent mehr Umsatz im Vergleich zum ungerösteten grünen Rohkaffee erwirtschaftet neben der Schaffung von qualifizierten Arbeitsplätzen (geschulte Röstmeister, Verpackungsexperten, Techniker, Drucker).

Ein traditioneller Kaffeebauer verdient etwa 1200 Birr (ca. 35 Euro nach heutigem Kurs), die Solino-Mitarbeiter bekommen 2000 – 10.000 Birr (60 – 300 Euro). Damit ermöglichen sie nicht nur eine allgemein höhere Lebensqualität, sondern können ihre oft große Familie leichter versorgen, und ihre Kinder können die Schule besuchen, statt zur Arbeit gezwungen zu sein.

Solino beschäftigt inzwischen 120 äthiopische Mitarbeiter (Stand 2018); insgesamt 1000 Arbeitsplätze sollen es in den nächsten Jahren werden.

Auf ein Bio- oder Fairtrade-Siegel wird bewusst verzichtet, weil der Erwerb der entsprechenden Zertifikate sehr teuer ist (bis zu 5.000 Euro). Das Bio-Siegel ist zudem unnötig, da sich die Kaffeebauern den Kunstdünger oder die chemischen Pflanzenschutzmittel gar nicht leisten können. Weil hier nun gerechter Handel besonders vorbildlich verwirklicht wird, wurde Solino vom Greenpeace-Magazin (Juli 2010) als „Kaffee Fair Plus“ bezeichnet.

An dieser Stelle ist eine Zwischenbemerkung im Hinblick auf die beiden Begriffe „bio“ und „fair“ angebracht. Sie sind – trotz aller wohlmeinenden Absichten – vielfach zu modischen Etiketten oder gar Teil eines Green Washing geworden. Denn „bio“ ist nicht gleich „bio“. Es gibt gewaltige qualitative Unterschiede der kaum zu zählenden Siegel und Verbände, und auch eine Zertifizierung muss nicht viel aussagen, weil sie in ihren Einzelheiten vom Verbraucher kaum durchschaut oder beurteilt werden kann. Ähnlich sieht es bei dem Begriff „fair“ aus, weil jeder Marktteilnehmer etwas anderes darunter versteht und vom Anbieter oft nur der Werbeeffekt beabsichtigt ist. Noch ein Aspekt kann betrachtet werden: Wenn nämlich „Fair Trade“ (im Sinn von fairer Handel) als Marke etwas Besonderes ist, was sind dann alle anderen gehandelten Waren? – Sind sie „Unfair Trade“? Also unfair, gegen die Regeln oder vielleicht sogar ausbeuterisch gehandelt? So forderte eine afrikanische Händlerin: „Selbstverständlich darf es überhaupt nur fairen Handel zwischen zwei Partnern geben, sonst ist es ja gar kein richtiger Handel!“

Felix Ahlers kümmerte sich am Anfang um alles selbst, kaufte die notwendigen Geräte, organisierte die Ausbildung der Mitarbeiter, absolvierte Behördengänge und schaffte die Kontakte zu den Händlern in Deutschland.

Er erzählt:

„Wenn man Entwicklungshilfe ernst meint, dann geht es nicht darum, nur Geld ins Land zu pumpen.“ Es gehe darum, die Wertschöpfung dort dauerhaft zu verankern. Dazu müssen die äthiopischen Arbeitskräfte so qualifiziert werden, dass ihre Produkte den Ansprüchen des deutschen Marktes entsprechen. „Der Drucker muss irgendwann selbst wissen, dass ein Etikett nur dann funktioniert, wenn der EAN-Code für die Scanner von Karstadt und Edeka zu lesen ist. Der Röster muss wissen, dass die Qualität der Kaffeebohnen immer die gleiche sein muss. Und es muss in Äthiopien jemanden geben, der weiß, wie der deutsche Kunde tickt und was er will.“
(Aus: DER SPIEGEL 38/2017)

Literaturhinweise zum Thema Solino:

www.solino-coffee.com (unter dem Menü Info findet man „häufig gestellte Fragen“ mit sehr informativen Hinweisen)

Magazin Kaffeezentrale: „Solino Kaffee“

„Alles aus einer Hand“, In: Crema November 2014

„Kaffee: Die bittere Wahrheit über unser Lieblingsgetränk“. In: DER SPIEGEL 38/2017 (ausführlicher allgemeiner Artikel über Kaffee, zuletzt dann Solino)

                       

Wildkaffee rettet Regenwald

Ein weiteres Beispiel aus Äthiopien (genauer der Provinz Kaffa) zeigt, wie die geniale Idee eines Menschen den verarmten Kleinbauern vor Ort bei ihrer wirtschaftlichen Entwicklung hilft, damit gleichzeitig den Regenwald vor der drohenden Abholzung rettet und deutsche Konsumenten mit einer besonderen Kaffeespezialität versorgt.

Es handelt sich um einen sehr hochwertigen Wildkaffee, der auf natürliche Weise im Regenwald wächst, allerdings nur in Äthiopien. Sonst wird Kaffee wie in allen anderen Ländern auf Plantagen angebaut. Florian Hammerstein, ein erfolgreicher Manager bei Großunternehmen, gründete die Firma Original Food in Freiburg. Er vertreibt die Wildsorte in Biosupermärkten, Feinkostläden und ausgewählten Hotels.

Die den Kaffee sorgfältig erntenden etwa 15 000 Kleinbauern erhalten das Doppelte des Weltmarktpreises. Sie haben sich in fast 50 Kooperativen organisiert und in einer Dachorganisation zusammengeschlossen. Es lohnt sich bei einem Umsatz von 1,4 Millionen Euro jetzt mehr, den Regenwald zu erhalten, statt ihn – wie ursprünglich von staatlicher Seite geplant – abzuholzen.

Ausführlicher ist die Geschichte nachzulesen in dem Artikel „Rettende Bohnen“ von Susan Djahangard in DIE ZEIT vom 28.03.2018 (https://www.zeit.de/2018/14/kaffee-handel-schutz-regenwald-aethopien-freiburg)